Aus der Ukraine nach Berlin - #wissenfueralle
Eintrag vom 28.08.2022
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Goldnetz Bildungskampagne 2022 - #wissenfueralle
Was es heißt, seine erwachsenen Kinder, die schwerkranke Mutter - sein altes Leben in der Ukraine zurückzulassen, können wir sicherlich ebenso wenig erfassen, wie das Gefühl, jetzt den Bus nach Polen nehmen zu müssen, weil der einzige Sohn gerade noch 17 Jahre alt ist und deswegen mit ausreisen kann.
Wir sprechen mit Oksana D. und Oksana A., Teilnehmer*innen von dem
Goldnetz Projekt fem.point und Protagonist*innen unserer Goldnetz Bildungskampagne „Wissen für alle“ über ihre Flucht nach Berlin. Beim Fototermin für die Kampagne, war die besondere Energie spürbar, die beide verbindet - Vertrauen, Pragmatismus und Humor? So standen sie dann auch vor der Kamera und haben, ohne dass wir uns wirklich verständigen konnten, einen super Job gemacht. Wir haben viel zusammen gelacht!
Sie haben sich in Warschau getroffen, erzählen sie, wo beide nach stundenlanger Fahrt mit dem Bus einmal aus der Ostukraine, einmal aus der Westukraine mit dem Gefühl ankommen, die jeweils einzige zu sein, die kein konkretes Ziel hat. Am Warschauer Bahnhof herrscht Chaos, viel zu viele Menschen drängen sich auf den Bahnsteigen und Vorplätzen.
Oksana hat vor Jahren in Warschau gearbeitet und hofft auf einen alten Kontakt, aber am Bahnhof wartet niemand und ihre Anrufe werden nicht entgegengenommen.
Oksana sagt, sie habe sich auf eine Bank gesetzt und geweint. So ist sie Oksana begegnet. Diese hat mit ihrem Sohn Essen für alle drei organisiert und sie beschlossen zusammen zu bleiben. Nach einer Nacht auf einem Matratzenlager in einem Fitnessstudio ist (trotz der großartigen Hilfe durch die Ehrenamtlichen) am nächsten Morgen klar, der Bahnhof und das Viertel drumherum platzt aus allen Nähten. Es kommen immer mehr Menschen und die Schlangen für Essen, Schlafplätze, Toiletten und Tickets sind schon jetzt kilometerlang – sie wollen weiter.
Oksanas siebzehnjähriger Sohn träumt von Paris, die Frauen werfen ihr Geld zusammen und beschließen, statt sich in die kilometerlange Schlange für die kostenlosen Tickets einzureihen, welche zu kaufen - egal wohin. Oksana zeigt uns ein Selfie der drei im Zug nach Berlin. Das erste gemeinsame Foto. Die drei haben Glück: Sie treffen auf dem Berliner Hauptbahnhof ein Rentner*innenpaar, das sie aufnimmt und mithilfe der Nachbarschaft um sie kümmert: großzügige, anteilnehmende und engagierte Menschen!
Oksana sagt, sie beide würden sich einfach absolut vertrauen, alles ist leichter für Oksana mit Oksana und für Oksana mit Oksana. Sie seien jetzt eine Familie, seit Oksanas Mann im Krimkrieg gefallen ist, fühle sie, dass ihre zweite Hälfte fehle und als ihr Oksana auf dem Warschauer Bahnhof begegnet ist, habe sie diese Hälfte wieder gefunden. Die Freundschaft sei ein großes unerwartetes Geschenk, genau wie die Bekanntschaft des Berliner Paares. Sie lachen und weinen (…und wir auch).
Den fem.point Flyer haben sie im Bezirksamt gesehen, mitgenommen und sich gemeinsam auf den Weg zum Café fem.point in der GOLDNETZ Geschäftsstelle in Steglitz gemacht. Die deutsche Sprache zu lernen ist ihr erstes große Ziel, Oksana D. ist Kindergärtnerin, Oksana A. hat als Verkäuferin gearbeitet – als Projektteilnehmende von fem.point können die beiden Frauen Beratung und Begleitung zu allen jetzt anstehenden Fragen in Anspruch nehmen. Die Goldnetz Berater*innen sprechen russisch und englisch, ehrenamtliche Sprachmittler*innen auch ukrainisch. Das Café fem.point ist eine niedrigschwellige professionelle Anlaufstelle für geflüchtete Frauen, aber auch für Ehrenamtliche. Die beiden Frauen werden ihre Berliner „Gasteltern“ das nächste Mal mitbringen. Wir sind gespannt auf die ihre nächsten Schritte und freuen uns mit dem vom BMFSFJ geförderten Projekt eine wirksame Unterstützungsstruktur anbieten zu können.
#wissenfueralle